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Wieso kümmert sich die Welt mehr um Tibet als um Xinjiang?

Es ist wirklich ein spannendes Phänomen: es gibt kaum ein prominteres unterdrücktes Volk als die Tibeter. Wer sich für die Befreiung Tibets einsetzt, kann auf die Symphatien der Masse setzen. Wenn ein Kloster zerstört wird, gibt es ein grosses Aufschreien.

Dass aber China die gleichen dubiosen Menschenrechtspraktiken in der nördlicher gelegenen Provinz Xinjiang anwendet, die vorwiegend von Uiguren, einem muslimischen Turkstamm, besiedelt wird, weiss hierzulande kaum jemand.

Ich möchte mich nicht auf die Äste rauslassen und behaupten, wo es schlimmer ist - dazu bin ich nicht in der Lage. Aber ich glaube, man kann von einer ähnlichen strukturellen Situation ausgehen. Daher habe ich den Eindruck, dass diese unterschiedliche Wahrnehmung dieser beiden chinesischen "Problemgebieten" nicht auf die reale Lage zurückgeführt werden kann, sondern eher auf unsere Bilder, die wir davon haben.

Wie kommt es aber, dass wir den symphatischen Tibeter schützen wollen und uns die muslimischen Uyguren kalt lassen?

Das ist eine sehr gute Frage. Zum einen wird es damit zusammen hängen dass die Buddhisten grundsätzlich als friedlich und die Muslime als gewalttätig angesehen werden. Ich denke dass es besonders in den letzten Jahren zu einem krassen Ruck nach Rechts in der Bevölkerung gekommen ist, bzw in der ganzen westlichen Welt. Warum interessiert es uns nicht wenn im Mittelmeer Tausende Flüchtlinge ertrinken?  Sicher sind die meisten Menschen auch schon abgestumpft. Man sieht in den Nachrichten doch eh nur Krieg und Zerstörung. Vor Weihnachten spenden die Leute dann etwas Geld für Afrika und meinen damit ist die Sache erledigt.

Es erschreckt mich doch immer wieder wie beschränkt und von Vorurteilen geprägt die Meinung der Deutschen ist.  Oder wie ist das in deinem Bekanntenkreis?

Ja, das mit den Schiffen auf dem Mittelmeer ist schon schlimm. Und es ist vor allem ein hausgemachtes Problem. Früher gab es das Botschaftsasyl. Wer sich bedroht fühlte, konnte in der Botschaft einen Asylantrag stellen und bei einem positiven Entscheid ganz normal einreisen. Und dann kam die EU mit der cleveren Idee, dass man den Asylantrag erst vor Ort stellen kann, dass man also zuerst (meistens illegal) einreisen muss, um eine Chance zu bekommen, überhaupt erst angehört zu werden. Da ist natürlich klar, dass die Leute erstens in Scharen kommen und dass sie zweitens das Leben riskieren.

Mein persönlicher Bekanntenkreis ist eigentlich relativ weltoffen. Aber ich bin immer wieder erschreckt, wenn ich die Kommentare unter den Zeitungensartikeln lese.