Das Stadtplanungsmuseen gehört zu den bizarrsten Sehenswürdigkeiten, die du in der chinesischen Hauptstadt besuchen kannst. In den leicht verlotterten Hallen wird dir vorgeführt, wie Peking eines Tages aussehen soll. Highlight ist allerdings ein gewaltiges 3D-Modell der heutigen Stadt. Und wer Peking gut kennt, kann auch das eine oder andere Detail finden, das bewusst vor den Besuchern versteckt wird. Zum Beispiel einen ganzen Flughafen.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie vor etwa sieben Jahren im Vorfeld der Olympischen Spiele das Pekinger Stadtplanungsmuseum eröffnet worden war. Der Anspruch der permamenten Ausstellung in der Nähe des Tiananmen-Platzes ist, dass die Besucher auf vier grossräumigen Etagen etwas über die vergangene Entwicklung von Peking erfahren und sich eine Vorstellung davon machen können, wie die chinesische Hauptstadt in ein paar Jahren aussehen wird.
An einem Smog-Nachmittag vor etwas über einem Jahr entschloss ich mich, gemeinsam mit meinem früheren Arbeitskollegen Matthias das Museum aufzusuchen. (Ich möchte ihm an dieser Stelle noch dafür danken, dass er unseren Ausflug fotographisch dokumentiert hat. Ich hatte nämlich meine Kamera zuhause vergessen.)
Das erste, was auffiel: Das Museum hatte fast keine Besucher. Obwohl der dunstig-heisse Sonntag alle Voraussetzungen für viele Gäste geboten hätte, waren wir beiden in vielen Abteilungen ganz alleine. Dies mag wohl auch erklären, wieso hier und da das Licht ausgeschaltet worden war und der eine oder andere Computer nicht lief. Das spielte allerdings alles keine so grosse Rolle. Der Grund, wieso die meisten Leute überhaupt das Museum besuchen, ist eine grosse Halle, die ein riesiges Modell der Stadt birgt.
Der Tanz auf den Glasplatten
„Achtung, nicht mehr als zwei Personen pro Quadratmeter“, steht auf einem Warnschild vor ein paar Treppenstufen, die zum leicht erhöhten Stadtmodell führen. Das Problem: Als dreidimensionaler Nachbau war im Wesentlichen nur der Bereich innerhalb der dritten Ringstrasse und diverse prestigeträchtige Regionen wie die Olympiastadt und das CBD nachgebaut worden. Der Rest der Stadt ist ein Satelitenbild, das auf von unten beleuchtete Glasplatten gedruckt wurde – und diese scheinen eben nicht so stark zu sein. Matthias und ich machen uns daran, unsere alten und gegenwärtigen Wohnungen und Arbeitsorte zu finden. Matthias hat Pech, seine Wohnung befindet sich unter einem Stützpfeiler.
Plötzlich fällt mir ein, dass es im Westen von Peking – gerade an der Vierten Ringstrasse – einen mehr oder weniger geheimen Militärflughafen gibt. Als ich vor ein paar Jahren bei einem chinesischen Verlag gearbeitet hatte, konnte ich die Flugzeuge von meinem Fenster aus starten und landen sehen. Ich mache mich also auf die Suche nach der Pekinger Area 51. Matthias wird zuerst fündig: Nördlich der Xingshikou-Strasse hat er ein seltsames Feld entdeckt.
Der verschwundene Flughafen
Ich schaue mir dieses angebliche Landwirtschaftsgebiet in mitten der Stadt etwas genauer an. Interessant ist, dass westlich einer klaren Linie die Schatten plötzlich alle in andere Richtung weisen als die Schatten, welche die benachbarten Häuser werfen. Natürlich entsteht ein Satelitenbild einer so grossen Stadt nicht in wenigen Sekunden, aber was wir hier entdeckt haben, sieht arg nach einer Fotomontage mit Photoshop aus. Wir machen ein paar Bilder von der dubiosen Gegend und verglichen sie später mit den Satelitenbilder aus Google-Map. Wir haben also tatsächlich die chinesische Kartenfälschung entdeckt!
Wir begeben uns in den vierten Stocks. Hier gibt es Erklärungen zur Entwicklung des Verkehrs. Zum Beispiel ein Karte, auf welcher die Entwicklung der U-Bahn bis 2020 eingezeichnet ist – und zwar mit Linien, die längst nicht mehr so geplant sind. Daneben gibt es Schaufenster, wie sich der Verkehr verändert hat. Bei einem alten VW-Bus wird Matthias stutzig. In der Beschreibung heisst es, dass solche Kleinbusse in den 1960er-Jahren für den Personentransport verwendet worden seien.
Matthias ist überzeugt, dass es auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution bestimmt keine deutschen Fahrzeuge (insbesondere solche, die zu jener Zeit noch der Inbegriff modernster Technik waren) durch die Pekinger Strassen rollten. Besonders ironisch wird die Wahl des Exponats jedoch, wenn man daran denkt, dass der gleiche Bus Jahre später zu einer Ikone der Hippie-Bewegung geworden ist. Vermutlich gab es vor 50 Jahren in Peking bestenfalls russische Kleinbusse, doch von solchen – das nehme ich nun einfach an – konnte der Kurator keine Modelle mehr finden.
Praktische Tipps
Das Stadtplanungsmuseum befindet sich an der Qianmendong Dajie 20. Die Anreise erfolgt am einfachsten mit der U-Bahn. Die nächste Station heisst Qianmen (Linie 2). Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag von 9 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 30 Yuan, die Kinos kosten je 10 Yuan. Weitere Informationen (wenn auch nicht sehr viel mehr) findest du auf der englischen Website des Museum.
In loser Folge berichte ich hier auf Sinograph über die Museen von Peking. Um kommende Berichte nicht zu verpassen, folgst du mir am besten über meine Facebook-Fanpage.