Schon alleine der Name Jiuzhaigou lässt viele Chinesen Laute des Entzückens von sich geben. Tatsächlich gehört das Tal der neun Dörfer und 114 Seen zu den schönsten Landschaften, die das Reich der Mitte zu bieten hat – trotz Besucheransturm. Ein Reisebericht.
Das chinesische Wort, das ein Besucher des Jiuzhaigou-Tals vermutlich am häufigsten zu hören bekommt, ist „Qiezi“, was auf Deutsch Aubergine heißt und bei dessen Aussprache man ein ähnliches Gesicht wie beim englischen Wort „Cheese“ macht. Dann folgt zwingend ein Klicken der Fotoapparate. Die blaugrünen Seen von Jiuzhaigou gehören zu den beliebtesten Fotomotiven in der Volksrepublik. Kaum jemandem im Land ist das klare Wasser im Norden der Provinz Sichuan kein Begriff. Entsprechend gern wird die Sehenswürdigkeit auch besucht.
Es ist früh am Morgen. Die Tore des Naturschutzparks sind gerade erst aufgegangen. Die Sonne schaut noch nicht über die kahlen Felsgipfel, hüllt jedoch die grünen Bergspitzen bereits in ein warmes Licht. Zhang Ying sitzt seit einer Stunde am Ufer des Spiegelsees, der einst dem Regisseur Zhang Yimou für den Film „Hero“ als Kulisse gedient hatte. Vor sich hat sie ein Stativ aufgestellt, auf dem eine Kamera thront. „Ich mache alle zwanzig Minuten ein Bild. Es ist erstaunlich, wie das Wasser je nach Licht, das in den See fällt, seine Farbe ändert.“ Die 30-jährige Computerfachfrau ist extra für eine Woche in die Gegend geflogen. „Es war schon immer mein Traum, Jiuzhaigou zu besuchen“, verrät sie. „Nun hatte ich endlich Zeit, ihn zu verwirklichen.“
Der Spiegelsee ist einer von 114 Seen, die sich in der Berglandschaft an den beiden Gabelungen eines kleinen Flüsschens gebildet haben. Wegen des im Wasser enthaltenen Kalziumcarbonats und besonderen Algen bricht sich das Licht anders als im gewöhnlichen Wasser. Die Folge ist, dass die Gewässer in einem klaren Hellblau bis Smaragdgrün leuchten.
Namen so bunt wie die Seen
Wem die wissenschaftliche Erklärung nicht gefällt, kann auch die Legende bemühen: So sollen vor langer Zeit einmal Himmelsgöttinnen Schminke ins Wasser rieseln lassen haben. Das Wasser hat jedoch auch noch eine weitere Besonderheit. Da es nur über wenige Nährstoffe verfügt, werden die organischen Substanzen, die in den See fallen, langsamer zersetzt. Immer wieder sieht man im Wasser die so genannten Tausendjährigen-Bäume, die noch perfekt erhalten sind. Einzig der Bewuchs mit Wasserpflanzen deutet darauf hin, dass sie schon länger im See liegen.
Viele der Seen haben so bizarr klingende Namen wie Fünf-Blumen-See, Doppelter-Drachen-See, Panda-See oder Fünf-Farben-Teich, dass man glauben könnte, sie stammten aus der Feder von cleveren Marketingexperten. Tatsächlich reichen sie jedoch auf den mystischen Buddhismus und vielleicht sogar auf die ältere Bon-Religion zurück. Von all dem will Zhang aber nichts wissen. Sie macht gerade ihr nächstes Foto. „Am liebsten würde ich hier baden gehen“, lächelt sie. Dies ist allerdings aus nahe liegenden Gründen im Naturschutzgebiet nicht erlaubt.
Der Name des Gebietes heißt ins Deutsche übersetzt in etwa „Tal der neun Dörfer“. Tatsächlich gibt es noch heute im Tal neun Dörfer, die hauptsächlich von Tibetern bewohnt werden. Nur drei von ihnen sind für Touristen zugänglich. Die anderen befinden sich versteckt weiter oben in den Bergen. Das erste Dorf, das man erreicht ist Nuorilang. Hier hat man sich bereits bestens auf Besucher Touristen eingestellt: Der Weg, der durch das Dorf führt, ist mit zahlreichen Souvenirshops gesäumt, die den Bewohnern ein gutes Einkommen erlauben. Eine von ihnen ist Frau Wang. Sie hat hier einen kleinen Laden, wo sie Stoffe verkauft. Nebenbei betreibt sie ein kleines Bed and Breakfast.
Illegale Übernachtungen im Park
„Die Parkleitung sieht das zwar nicht gern“, erzählt die Mittdreißigerin. „Aber es wird geduldet, dass wir in kleinem Rahmen Leute bei uns unterkommen lassen.“ Frau Wang wohnt am Rande des Dorfes in einem zweistöckigen Haus, das mit seinem hölzernen Aufbau weitgehend traditionell aussieht. Während die beiden Gästezimmer modern eingerichtet sind, ist der Gemeinschaftsraum, in dem die Familie mit den Besuchern gemeinsam isst, mit tibetischen Malereien und einigen Thankas verziert.
Etwas später am Abend kommt ein Mönch in einer roten Kutte vorbei. Frau Wang gibt ihm etwas Essen ab. Dafür sitzt der Geistliche über eine Stunde lang am Nebentisch und betet einen Vers nach dem anderen. Für den unbedarften Besucher ist schwer zu beurteilen, ob er für das Wohl des Hauses betet oder sich auf dem Weg zur Erleuchtung befindet.
Im Park zu übernachten lohnt sich auch aus einem anderen Grund: Bis zu 20.000 Besucher wollen sich an Spitzentagen mit den fast 300 Bussen durch das enge Tal chauffieren lassen. Dass es dann auf den liebevoll angelegten Holzbohlenwegen ähnlich gedrängt zugehen kann, wie in der Beijinger U-Bahn, ist die logische Folge. Dies lässt sich mit einem Besuch während der Randstunden vermeiden.
Das Schutzgebiet Jiuzhaigou war 1992 von der UNESCO in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen worden; zehn Jahre zuvor hatte die Regierung Jiuzhaigou zu einem Schutzgebiet erklärt, nachdem die Forstwirtschaft in den 1970er-Jahren in dem Tal beträchtliche Schäden angerichtet hat, die teilweise bis heute nachwirken. Den einst im Tal ansässigen Pandabären findet man in Jiuzhaigou längst nicht mehr.
Praktische Tipps
Anreise: Die Anreise nach Jiuzhaigou erfolgt in der Regel in einer beschwerlichen ganztägigen Busreise ab Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan. Bei mir dauerte die Fahrt auf den kurvigen Bergstraßen fast zehn Stunden. Alternativ kannst du ab Chengdu fliegen. Günstige Verbindungen findest du zum Beispiel bei Skyscanner.
Unterkunft: Ich habe im Park bei einer tibetischen Familie übernachtet. Da das eignetlich nicht erlaubt ist, sind die Familien schwer zu finden, die Gäste aufnehmen. Willst du im Park übernachten, nimmst du am besten einen grossen Rucksack mit und hoffst, dass du von jemanden angesprochen wirst. Du solltest dafür aber einigermassen Chinesisch sprechen können. Die meisten Besucher kommen in einer künstlichen Stadt am Parkeingang unter, der allerdings jeglicher Charme fehlt. Es hat dort sogar mehrere günstige Jugendherbergen (siehe hier).
Eintritt: Der Besuch von Jiuzhaigou ist teuer: Du musst mit etwa 30 Euro Eintritt ins Parkgelände rechnen sowie nochmals 10 Euro für den Bus im Naturpark. Der Bus ist bei den weiten Distanzen dringend zu empfehlen. Im Winter zwischen Mitte November und Ende März ist der Eintritt massiv vergünstigt.
Reisezeit: Ich besuchte die Region im Juli vor drei Jahren und fand das eine ideale Reisezeit. Am schönsten ist allerdings der Herbst, wenn sich die Wälder verfärben. Dann sind allerdings die meisten Leute unterwegs.
Kommunikation: Jiuzhaigou gehört zu den wichtigsten Reisezielen in China und wir auch regelmässig von Ausländern angesteuert. Daher solltest du mit Englisch einigermaßen durchkommen. Grundsätzlich empfehle ich meine Tipps zur Kommunikation in China durchzulesen.
Weitere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung: Wenn du schon in Jiuzhaigou bist, solltest du unbedingt noch den Huanglong National Park besuchen, dessen Becken dem türkischen Pamukkale ähneln. Nahe ist auch Songpan, von wo aus du relativ leicht in das tibetische Klosterdorf Langmusi, einer meiner Lieblingsorte in China, kommst. Auf der Route bis nach Lanzhou gibt es noch weitere schöne Orte, wo du ein paar Tage bleiben kannst.
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Wirklich schön! Da wollen wir auch schon lange hin. Aber eben diese beschwerliche Anfahrt hat uns abgeschreckt (und die Angst vor den Menschenmassen).
Ich würde das an deiner Stelle mal besuchen, wenn du eine Woche Zeit hast. Dann fliegst du nach Jiuzhaigou hoch und fährt von dort auf Richtung Xining weiter. Auf der Strecke hast du alle drei bis vier Stunden tolle Orte, die du besuchen kannst.
Hey, was hast du in etwa für die Unterkunft bei der einheimischen Familie bezahlt? Das klingt sehr interessant!
Ich hoffe, das Erdbeben hat nicht viel zerstört.
Hallo Hans,
sorry, das weiss ich nicht mehr so genau. Aber es war güstiger zwei Tickets zu kaufen. Inzwischen ist das aber auch schon eine Weile her und ich hab bisher von niemanden mehr gehört, der das gemacht hat. Keine Ahnung, ob das heute noch geht.
Hoffen wir, dass beim Erdbeben nicht viel passiert ist.
Gruss,
Oli
Hi Oli,
lohnt es sich für 3-4 Tage in diesen Nationalpark zu gehen? Oder hast du sonst noch einen guten Tipp wo man im Oktober zwischen Peking, Xian, Chengdu oder Shanghai ein paar Tage wandern gehen kann?
Viele Grüße
Steffi
Hi Steffi,
Jiuzhaigou ist ja vor einiger Zeit bei einem Erdbeben beschädigt worden. Mein Wissensstand ist, dass man es derzeit wieder besuchen kann, aber dass die Besucherzahlen stark beschränkt sind. Falls ihr also tatsächlich dorthin wollt, solltest ihr euch im Vorfeld um die Tickets kümmern.
Ansonsten gibt es recht viele Geoparks, die du besuchen kannst. Weitere Klassischer sind Zhangjiajie und die Gelben Berge – beides total schön. Bei Xian hast du den Huashan, den ich selber nicht kenne.
Bedenke aber, dass Anfang Oktober die Nationalfeiertagswoche in China ist. Egal, wo du hingehst, es wird extrem voll sein. Daher würde ich mir überlegen, ob es nicht besser wäre, die ganz bekannten Orte zu meiden.
Hallo Oliver,
Wir würden gerne im März zum Huanglong Nationalpark, wir finden aber im Internet irgendwie keine Auskunft darüber wie man von Beijing aus dort hinkommt. in der Nähe von Songpan soll es ja einen Flughafen geben, aber wir finden keine Verbindungen. Wir hatten nun überlegt, von Peking nach Chengdu zu fliegen und von dort aus den Bus zu nehmen. Das würde natürlich dauern…meinst du, die Strapaze würde sich dennoch lohnen?
Über dein Feedback und deine Hilfe würden wir uns riesig freuen!!
LG Annalia
Hi Annalia,
Genau. Du musst zuerst nach Chengdu fliegen und von dort weiter mit Sichuan Airlines nach Jiuzhai Huanglong Airport (IATA: JZH), der sich irgendwo in der Mitte zwischen Songpan und Jiuzhaigou befindet.
Die Flüge sind allerdings relativ teuer – wohl auch weil es keine Konkurrenz gibt – was für den Bus spricht. Allerdings ist die Fahrt schon sehr, sehr lange und die Strasse ist ziemlich kurvig.
Alternativ kannst du auch vom Norden aus anreisen via Xining, Xiahe, Langmusi und Songpan. Das ist zwar weiter, aber du ermöglicht dir ein paar lohnenswerte Zwischenstopps. Das habe ich hier als „Tibet-Tangente“ verbloggt.
Gruss,
Oli
Nihao! Kannst du mir sagen, wo ich dieses reisecenter in chengdu finde? Ich würde den park wahnsinnig gerne besuchen, habe aber das gefühl, eine tour wäre evtl. besser als alleine.
Liebe grüsse, ziska
Hi Ziska,
ich weiss leider nicht, wie der Zustand des Parks derzeit ist. Im März 2018 ist er ja wieder aufgegangen, allerdings damals mit einem starken Kontingent und im Rahmen von geführten Touren. Es ist möglich, dass sich das seither geändert hat oder in den kommenden Wochen, wenn die Saison beginnt, noch ändern wird. Aber so weit ich das sehe, sind momentan Touren noch nötig.
Wie findest du die? Wegen der Kontingente würde ich nicht einfach hinfahren und dann suchen, sondern schon vorher etwas reservieren. Ich denke, du kannst einfach in Chengdu im Hotel oder Hostel dich erkunden und fragen, ob die etwas anbieten.
Wenn du zeitlich unflexibel bist, solltest du vielleicht sogar schon von zu Hause aus etwas buchen. Allerdings ist das Angebot beschränkt, bei GetYourGuide, wo ja einheimische Reisebüros ihre Touren einstellen können, hat es nur eine einzige Tour. Die sieht zwar toll aus, ist aber etwas arg teuer, finde ich.
Gruss,
Oli
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