Interessierst du dich für die chinesische Philosophie? Bist du auf dem nahegelegenen Berg Taishan unterwegs und will noch mehr in der Nähe anschauen? Stehst du auf historische Städte? Wenn du eine dieser Fragen mit „Ja“ beantworten kannst, dann solltest du hier weiterlesen.
Es war anfänglich die Nähe zum Berg Taishan, die mich bewog, mich mit Qufu auseinanderzusetzen. Je mehr ich über die historische Kleinstadt las, desto stärker wurde mein Wunsch, den Ort zu besuchen. Falls dir der Name Qufu nichts sagt: Hier hat einst China wichtigster Denker gelebt und gewirkt.
Bereits der Weg vom Busbahnhof zur Jugendherberge liess keinen Zweifel aufkommen, wer die grösste historische Persönlichkeit der Stadt ist. Ich fahre zunächst am Konfuzius-Hotel vorbei, ein paar Blöcke weiter gibt es die Konfuzius-Gaststätte, dann kommen gleich mehrere Restaurants mit dem Namen des alten Meisters. Wohin man auch schaut: Kongzi ist überall.
Qufu macht mir einen guten Eindruck. Wohl wegen des alten Meisters wurde die Stadt von der ärgsten Modernisierungswut weitgehend verschont. Wie vor 2000 Jahren ist das Zentrum von einer hohen Mauer umgeben und kann nur durch die alten, allerdings restaurierten Tore erreicht werden. Im Zentrum gibt es jede Menge Tempel, Parkanlagen und alte Häuser.
Dabei ist Qufu jedoch nicht so krass aufgehübscht wie das historische Zentrum von Pingyao. Qufu wirkt wie eine historische Stadt, in der noch echte Menschen leben und nicht wie eine für Touristen geschaffene Filmkulisse – auch wenn Qufu insgesamt doch sehr stark von chinesischen Besuchern frequentiert wird.
Drei Mal Konfuzius
Am nächsten Morgen mache ich mich auf, die Stadt zu erkunden. Es gibt ein praktisches Ticket für 150 Yuan, mit dem man den Konfuzius-Tempel, das Haus der Nachfahren von Konfuzius und das Familiengrab der Kongs besuchen kann. Das sind die drei wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt – und eigentlich auch mehr oder wenigen die einzigen.
Den Konfuzius-Tempel habe ich relativ schnell abgehakt. Er bietet zwar unter den ehrwürdigen Bäumen eine angenehme Ruhe, aber mein ungeschultes Auge erkennt kaum Unterschiede zu anderen Anlagen. Wer aber noch nicht so viele chinesische Tempel gesehen hat, für den könnte die Anlage interessant sein. Immerhin ist sie eine der grössten ihrer Art in China.
Interessanter ist die Residenz der Familie Kong, die angeblich über rund 500 Zimmer verfügt. Im typischen Landgut früherer Zeiten hat Konfuzius zwar nie gelebt. Aber das Anwesen ist ein Sinnbild dafür, wie Konfuzius Lehren der einst armen Familie einen unermesslichen Reichtum bescherten. Die vorderen Teile sind Räumlichkeiten zur Erledigung öffentlicher Angelegenheiten, und die hinteren Teile solche für das Alltagsleben. Besonders schön ist der Garten.
Als dritte Sehenswürdigkeit steht der Familenfriedhof der Kongs auf dem Programm. Hier werden seit über 2000 Jahren Angehörige der Familie Kong beerdigt. Und das sind nicht wenige: Angeblich soll mehr als die Hälfe der Stadtbewohner den Nachnamen Kong tragen. Nach einer Weile gelang es mir sogar, das unscheinbare Grab zu finden, in dem der bekannten Denker noch heute ruhen soll. Es hat mich überrascht, wie andächtig sich hier viele Besucher verhielten: Manche legten Blumen hin und teilweise wurde sogar vor dem Grab gebetet.
Wie echt ist Qufu?
Wie an vielen anderen Orten in China habe ich mich auch in Qufu gefragt, wie authentisch das ist, was wir sehen. Hat das, was uns Besuchern hier gezeigt wird, überhaupt etwas mit Meister Kong zu tun?
Dazu muss man sich zunächst einmal vor Augen führen, dass Konfuzius vor etwa 2500 Jahren gelebt hat. Dass in der langen Zeit nichts mehr echt ist, dürfte wenig überraschen.
Trotzdem ist die Kontinuität der Stätten erstaunlich. Die ältesten Gräber des Friedhofs stammen aus einer Periode vor Konfuzius Lebzeiten und bis heute werden seine Nachfahren hier begraben.
Der Konfuzius-Tempel stammt zwar in seiner heutige Form aus dem 16. Jahrhundert und wurde seither mehrmals stark beschädigt und renoviert. Historiker sind sich aber ziemlich sicher, dass bereits zwei Jahre nach seinem Tod an der Stelle, wo sich sein Haus befand, ein erster Tempel errichtet wurde.
Fazit
Die wichtigste Frage ist nun, ob sich ein Besuch lohnt? Für mich kann ich das bejahren. Konfuzius spielt im Denken der Chinesen noch eine eine sehr grosse Rolle und Qufu ist ein Ort, von dem ich immer wieder gehört habe. Auch wenn das, was ich letztlich gesehen habe, nicht so ganz echt ist, hat mich doch die Kontinuität beeindruckt. Zudem ist Qufu ein guter Ort, um in das Leben in der chinesischen Provinz einzutauchen.
Praktische Tipps
Anreise: Qufu ist mit dem Hochgeschwindigkeitsnetz der chinesischen Eisenbahn verbunden. Ab Peking ist der Ort in rund zwei Stunden zu erreichen. Wenn du aus Taian anreisen möchtest, darfst du dich vom Online-Fahrplan der chinesischen Eisenbahn nicht irreführen lassen. Die Fahrt dauert zwar nur 20 Minuten, aber der Bahnhof liegt an beiden Orten weit ausserhalb des Zentrums, so dass ein gewöhnlicher Bus (90 Min.) am Ende schneller ist. Siehe hier meine Tipps zum Buchen von Zügen in China.
Unterkunft: Qufu biete eine gewaltige Menge an Hotels in den unterschiedlichsten Preisklassen. Ausserhalb der heissen Sommermonate ist die Belegung häufig und du kannst den Preis deutlich drücken. Während des Sommers und an den Wochenenden ist eine Reservation über Agoda oder Booking sinnvoll. Ich selber war in der kleinen aber feinen Jugendherberge. Beachte auch die Tipps für die Suche nach Hotels in China.
Eintritt: Für die drei erwähnten Sehenswürdigkeiten gibt es ein praktisches Kombiticket, das zum Zeitpunkt der Recherche 150 Yuan kostete. Beachte, dass der Friedhof etwas abseits liegt und du unter Umständen ein Taxi benötigst. Siehe dazu auch meinen Taxi-Guide.
Reisezeit: Ich besuchte Qufu im Mai und hatte Glück mit dem Wetter. Der Sommer gilt als beste Reisezeit, kann aber drückend heiss werden.
Kommunikation: Qufu wird vorwiegend von chinesischen Touristen besucht. Restaurants und Hotels sind eher schlecht auf Besucher aus aller Welt eingestellt. Deswegen empfehle ich, meine Tipps zur Kommunikation in China durchzulesen.
Weitere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung: Wie bereits erwähnt lässt sich Qufu ideal mit einem Ausflug zum heiligen Berg Taishan verbinden (ideales Wochenendziel ab Peking oder Shanghai). Interessant ist auch die ehemalige deutsche Kolonie Qingdao, die ebenfalls gut erreichbar ist. Die Provinzhauptstadt Jinan ist für ihre Thermalbäder bekannt. Mich haben sie nicht begeistert und ich würde vom Besuch der Provinzhauptstadt eher abraten.
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Hallo,
in Qufu möchte ich auch noch irgendwann vorbeischauen, da Konfuzius einfach noch sehr viel Einfluss in China hat. Möchte einfach die Wurzeln kennenlernen. In Jinan war ich auch einnmal und kann einen Stopp dort auch nicht empfehlen. Da gibt es interessantere Ziele in der „Umgebung“.
Viele Grüße
Thomas
Hi Thomas,
das war auch bei mir der Beweggrund. Allerdings mehr als einen Tag sollte man in Qufu nicht unbedingt verbringen. Dazu hat die Stadt dann doch wieder zu wenig zu bieten. Was wären den weitere interessante Ziele in der Umgebung? (Falls ich mal wieder in Shandong unterwegs bin – wobei als nächstes würde ich wohl eher wieder einmal nach Yunnan reisen wollen…)
Gruss,
Oli
Ach, das weckt wieder mal Erinnerungen! Ich war 1992 in Qufu, auf dem Weg von Kaifeng zum Taishan. Mir hat Qufu gut gefallen, vor allem der „Friedhof“ Beeindruckend, dass dort seit mehr als 70 Generationen Angehörige der Famiie Kong begraben werden!
LG
Ulrike
Ja, den Friedhof fand ich unter den drei Sehenswürdigkeiten auch die beeindruckendste. Ich finde der Ort zeigt auch diese wunderbare Eigenheit Chinas, dass auch nach so vielen Jahren trotz aller Irrungen und Wirrungen vieles verhältnismässig gut dokumentiert ist.