Das Erbe der Nomaden: Am Kanas-See werden Reittouren angeboten.

Das Erbe der Nomaden: Am Kanas-See werden Reittouren angeboten. Fotos: O. Zwahlen

Selbst ist der Reisende, lautet meine Devise. Doch manche Orte sind auf eigene Faust nur schwer zu erreichen oder – wie zum Beispiel der Kanas-See ganz im Westen Chinas – ohne Tour sehr viel teurer. Und es zeigt sich: Auch eine Fahrt im chinesischen Touristenbus kann zur kulturellen Erfahrung werden.

Kaum hatten wir die Autobahn Richtung Norden erreicht, beginnt die Reiseleiterin die Passagiere im Bus umzugruppieren. Neben mir nimmt nun Vivi Platz. Sie ist eine 17-jährige Chinesin aus Wuhan in Zentralchina. „Ich spreche gut Englisch“, erklärt sie mir. Deswegen habe man sie neben mich, den einzigen Ausländer im Bus, gesetzt. „Sonst ist die lange Fahrt für dich doch viel zu langweilig.“

Tatsächlich bin ich froh, neben jemandem zu sitzen, mit dem ich mich unterhalten kann. Ich hatte am Vortag in einem Reisebüro in Urumqi eine Tour in einer chinesischen Reisegruppe gebucht. Vier Tage lang werden wir zusammen durch den Norden der westchinesischen Provinz Xinjiang fahren und dabei den  Kanas-See besuchen, der nur wenige Kilometer von der kasachischen Grenze entfernt liegt.

Zur Orientierung: Das alles ereignete sich vor acht Jahren, in den ersten Wochen als ich nach China gezogen war und darauf wartete, ein paar Wochen später mit meinem Sprachkurs in Peking zu beginnen. Da mir die Region sehr gut gefiel, habe ich mich entschlossen, einen Reisebericht an die Familie aus dieser Zeit etwas zu überarbeiten und hier zu veröffentlichen.

Unterhaltung auf Chinesisch

Langweilig sollte es im Bus jedoch nicht werden. Kaum war unsere Reiseleiterin mit der neuen Sitzordnung zufrieden, begann der Unterhaltungsteil. Die Reiseleiterin gab einem Mann in der ersten Reihe im Bus eine leere PET-Flasche. Die Passagiere mussten diese auf der einen Seite schnell nach hinten und der anderen Seite schnell wieder nach vorne geben. Sobald die Musik abbrach, musste der Passagier, der die Flasche zuletzt hatte, etwas darbieten.

Natürlich war klar, dass alle den Ausländer im Bus etwas singen hören wollten. So kam es, dass die Flasche immer wieder Abkürzungen nahm, die eigentlich nicht so ganz regelkonform waren. Nach einer Weile erwischte es mich und ich musste vor die Gruppe stehen. Ich intonierte „Röte Röslein im Garten“…

Blick auf den Kanas-See von oben.

Blick auf den Kanas-See von oben.

Am Wegrand gibt es ungewöhnliche Pflanzen.

Am Wegrand gibt es ungewöhnliche Pflanzen.

Monster im See

Den Kanas-See erreichten wir erst am nächsten Tag. Das leuchtend grüne Gewässer liegt tief in den Bergen des Altais und beherbergt angeblich ein Monster, ähnlich wie das viel bekanntere Loch Ness in Schottland. Das klingt so, als hätten die einheimischen Tourismusvermarkter das schottische Erfolgsrezept kopieren wollen. Tatsächlich sind die Berichte über das Monster jedoch seit Jahrhunderten belegt.

Auch später wurden im Kanas-See immer wieder seltsame Lebewesen gesichtet. So hiess es 1985, dass 15 Meter lange Fische gesichtet worden seien. Mehrere Forschungsexpeditionen wurden damit beauftragt, das Rätsel rund um das Monster zu lösen. Bis heute ohne Erfolg. So hielt dann auch ich Ausschau, ob ich etwas Seltsames sehen würde.

Auf den "Wanderwegen" im Parkgelände kann es etwas voller werden.

Auf den „Wanderwegen“ im Parkgelände kann es etwas voller werden.

Aber etwas abseits findet man leicht ruhigere Ecken.

Aber etwas abseits findet man leicht ruhigere Ecken.

Radikaler Umweltschutz

Der See ist unglaublich schön, aber angesichts der vielen Besucher etwas anstrengend zu besichtigen. Auf Holzwegen werden die Touristen am Ufer entlang und auf einen Gipfel geführt. In regelmässigen Abständen stehen Aufseher mit Megaphonen, die jeden Touristen gnadenlos anschreien, wenn er vom Holz auf einen Felsen tritt, um die Blumen näher zu fotografieren.

Die Natur zu erhalten ist zweifellos eine gute Sache. Aber ich frage mich, ob es in einem Land, in dem laut Berichten von Umweltschutzorganisationen rund 80 Prozent aller Flüsse verseucht sind, wirklich so einen radikalen Aktivismus braucht.

Als meine Reisegruppe eine Bootsfahrt auf dem See machte, setzte ich mich schnell ab, um die Gegend auf eigene Faust zu erkunden. Man muss nur ein paar Meter von den Haupttrampelpfaden weg, und schon ist alles ruhig und einsam. Es ist erstaunlich, wie viele einfach den Pfeilen folgen und sich nicht dafür interessieren, was sich links und rechts von ihnen befindet.

Bei der Touristentänzern

Am nächsten Tag machen wir in einer kleinen Siedlung halt. Hier gibt es eine dieser bizarren Darbietungen, die eigens für Touristen erfunden werden. Ein Mann spielt der Reisegruppe etwas auf einem heimischen Instrument vor, danach kommen ein paar Tänzer und Tänzerinnen und führen zwei Tänze auf. Schliesslich bekommen wir „ethnischen Tee“, eine „ethnische Mahlzeit“ und steigen ein paar Minuten danach wieder in den Bus, um der nächsten Gruppe Platz für ein ethnisches Erlebnis zu machen.

Boxenstopp bei den Einheimischen im Naturschutzpark rund um den Kanas-See

Boxenstopp bei den Einheimischen im Naturschutzpark rund um den Kanas-See

Im Innern des Gebäudes werden lokale Speisen serviert.

Im Innern des Gebäudes werden lokale Speisen serviert.

Fazit

Der Kanas-See gehört wegen seiner weitgehend intakten Natur zu den schönsten Regionen Chinas. Wie viele andere Ziele in China, ist auch der Kanas-See total überlaufen. Allerdings ist es nicht besonders schwer, sich von den Massen abzusetzen. Obwohl es ganz interessant war, mit einer chinesischen Tourgruppe mitzureisen, würde ich das nächste Mal trotzdem lieber etwas mehr Geld ausgeben und selber hinreisen.

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4 Kommentare

  1. Ich musste gerade so lachen, als ich den Unterhaltungs-Part gelesen habe :-). Auf unseren Peking- und Shanghai-Flügen haben wir auch immer chinesische Touristen-Gruppen an Board (Ich bin Flugbegleiterin). Die müssen dann auch immer den ganzen Flug über vom Reiseleiter bespaßt werden – wehe, einer langweilt sich. Und einen Teil unseres Unterhaltungsprogramms (aka Getränke- und Essenservice) zu verpassen, ist für die auch undenkbar. Da gehört es dann zum guten Ton, wenn man seinen Nachbarn mit Gewalt wachrüttelt, nur damit er ein Glas O-Saft vom Safttablett abbekommt 🙂 LG Franzi

    1. Ich musste gerade vor ein paar Minuten auch bei dir so herzhaft lachen und zwar beim Text mit dem skurilen Facts zu Shanghai, wo du beschreibst, dann immer jemand den Boden wischt, egal wann und wo…

  2. […] Oliver von Der Sinograph nimmt uns mit auf eine Busreise zum Kanas-See in Westchina. Inmitten chinesischer Touristen klappert er die Straßen entlang. Vom ersten Wort an sitzt man mit im Bus und erfährt zudem Wissenswertes über die Region. Da wird Fernweh geweckt! […]

  3. […] Oliver von Der Sinograph nimmt uns mit auf eine Busreise zum Kanas-See in Westchina. Inmitten chinesischer Touristen klappert er die Straßen entlang. Vom ersten Wort an sitzt man mit im Bus und erfährt zudem Wissenswertes über die Region. Da wird Fernweh geweckt! […]

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