Bröckelnder Verputz und lokales Leben machen Hongjiang zu einer der authentischsten Orte Chinas. Fotos: O. Zwahlen

Bröckelnder Verputz und lokales Leben machen Hongjiang zu einer der authentischsten Orte Chinas. Fotos: O. Zwahlen

So gern ich zwischen hochmodernen Hochhäusern streune: Mich reizen in China historische Städte mit ihren Stein- oder Holzhäusern. Doch diese hinterlassen oft einen fahlen Nachgeschmack: Was ist echt und was ist bloss ein historisch aussehendes Fantasieprodukt? Hongjiang im Süden von Hunan war in dieser Hinsicht eine echte Überraschung.

Nachdem wir aus dem Bus ausgestiegen waren, fragte ich einen älteren Mann, wie ich am besten in die Altstadt komme. „Möchtet ihr denn Eintritt bezahlen, oder nicht?“ fragt er. Wie mittlerweile fast überall in China wird auch hier für den Besuch ein vollkommen überrissenes Eintrittsgeld verlangt. Als ich vor zwei Jahren dort war, lag der Preis bei 100 Yuan, inzwischen höchstwahrscheinlich höher. Ich schüttle also den Kopf. „Na, dann kommt mal hier lang“, lacht der Alte.

Die Altstadt von Hongjiang liegt im Zentrum auf einem leichten Hügel. Gross ist sie nicht. Aber doch zu gross, als dass der Zugang zur Stadt wirklich hätte abgeriegelt werden können. Zahlreiche kleine Gassen und Treppen verbinden diesen kleinen Teil der Stadt mit dem modernen Teil. „Hier müsst ihr rauf“, sagt der Herr und weist in eine enge Gasse, in der eine Treppe in die Höhe führt. Dann verabschiedet er sich mit einem leichten Nicken.

Lokales Leben: Rentner spielen auf einem zentralen Platz Karten.

Lokales Leben: Rentner spielen auf einem zentralen Platz Karten.

Hongjiang beeindruckt mich. Es ist nicht wie Fenghuang, das zwar historisch aussieht, aber bei dem man den Eindruck hat, dass die ganze Ortschaft auch ein Nachbau sein könnte. Und es ist auch nicht wie Datong, wo ich gesehen habe, wie das ganze Stadtzentrum platt gemacht wurde, um einem neuen historischen Kern Platz zu machen. Authenzität, das haben mich meine Jahre in China gelehrt, hat in diesem Land mit seiner hohen Dynamik keinen besonders hohen Stellenwert.

Hongjiang ist anders. Die Altstadt ist nicht fein rausgeputzt. Sie ist kein chirurgisches Produkt, aus der alles Unpassende herausoperiert wurde, sondern sie ist aus der Geschichte entstanden. Gewaltige Steinhäuser stehen da, von denen der Verputz von den Fasaden bröckelt und dazwischen oft auch Holzhäuser.  Etwas versteckt sieht man auch hier und da eine hässliche Mietskaserne, die aus der Zeit der Grossen Sprungs nach vorne stammen könnte. Doch sie stören mich nicht. Im Gegenteil: Dies kleinen Flecken verleihen der Stadt Leben. Sie sorgen dafür, dass Hongjiang nicht wie ein aufgehübschtes Museum wirkt.

Aussicht auf Hongjiang: Nicht klassisch schön, aber authentisch.

Aussicht auf Hongjiang: Nicht klassisch schön, aber authentisch.

So ist dann auch das chinesische Alltagsleben das, was in Hongjiang fasziniert. Vor einer öffentlichen Toilette setze ich mich zu einer Frau, die gerade in einer Plastikschüssel Kutteln auswäscht. Wir plaudern ein bisschen, dann steht sie auf und bringt mir aus der Küche eine Orange als kleines Geschenk. Auf der anderen Seite sitzen vier Frauen an einem Tisch auf der Strasse und spielen Mae-Jiang. Alsbald kommt ein Polizist und will sich mit mir gemeinsam ablichten lassen. Ein paar Strassen weiter treffe ich eine 84 Jahre alte Frau. Sie ist taub, aber sie freut sich trotzdem über Gäste und lädt uns zu einem Tee ein. Dabei dürfen wir ihr Wohnhaus sehen. Eine grandiose Chance!

So herrlich das ist: Die wenigen Strassenzüge der Altstadt habe ich bald gesehen. Ein halber Tag reicht für einen Besuch durchaus. Zumindest für das, was sich ohne Eintritt besuchen lässt. Ich setze mich am späten Nachmittag zufrieden in den Bus zurück nach Huaihua mit dem Gefühl, wieder einmal einen Geheimtipp in China gefunden zu haben.

Das Leben der Einheimischen: Viele alte Häuser sind offen und erlauben einen Blick ins Leben der Einheimischen.

Das Leben der Einheimischen: Viele alte Häuser sind offen und erlauben einen Blick ins Leben der Einheimischen.

Praktische Tipps

Anreise: Am einfachsten lässt sich Hongjiang vom 55 Kilometer entfernten Huaihau erreichen, das auch über einen Bahnhof verfügt. Der Bus nach Hongjiang fährt für derzeit 25 Yuan vom Südlichen Busbahnhof los, der ziemlich weit vom Bahnhof entfernt liegt. Mehrere Buslinienverbinden ihn mit dem Stadtzentrum und dem Bahnhof von Huaihua.

Unterkünfte: Hongjiang steht bei den wenigsten westlichen Reisenden auf dem Programm, und auch chinesische Touristen kennen die Stadt kaum. Es gibt daher keine Jugendherberge und Ähnliches, lediglich sehr chinesische Hotels. Wir haben Hongjiang als Tagesausflug ab Huaihua besucht. Günstige Hotels findest du in solchen abgelegenen Gegenden am besten über Ctrip.

Eintritt: Als ich Hongjiang besuchte, wurde ein Eintrittsgeld von 100 Yuan verlangt, das man relativ problemlos vermeiden kann. Wenn du jedoch viel sehen willst, lohnt sich der Eintritt trotzdem, denn er erlaubt dir, verschiedene Sehenswürdigkeiten von Innen zu besuchen. Zudem kannst du dich einer chinesischsprachigen Stadtführung anschliessen, was auch ohne Sprachkenntnisse ganz witzig sein kann.

Sehenswürdigkeiten: Eine Reihe von Tempel, historische Wohnhäuser und ein Freudenhaus sind die bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Allerdings ist die Altstadt selber schön genug, um einfach zwischen den halbzerfallenen Häusern zu spazieren.

Weitere Ziele: Einen Besuch von Huaihua kannst du mit zahlreichen anderen Ortschaften in der Region kombinieren. Am bekanntesten ist Fenghuang, das ich aber nur bedingt empfehle (Ballermann auf Chinesisch) und etwas weiter die wunderschönen Berge von Zhangjiajie. Richtung Süden empfiehlt sich inbesondere ein Halt in Guilin beziehungsweise ein Zwischenstop in den Reisterrassen von Nordguangxi.

Kommunikation: Wie überall in den abgelegenen Regionen von China sprechen relativ wenige Leute Englisch. Das erschwert die Reise, aber verunmöglicht sie nicht. Hier gibts Tipps für Reisende, die kein Chinesisch sprechen.

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3 Kommentare

  1. […] | Oliver vom Sinograph stellt uns mit Hongjiang einen der vielleicht authentischsten Orte Chinas […]

  2. Hallo Oliver
    Erst mal herzlichen Dank für deine Arbet und deine Tipps.
    Ich bin mit meiner Partnerin seit 6 Wochen in China unterwegs und haben unplanmäsdig schon einige deiner Tipps besucht
    Vor allem die tibetische Region hat uns sehr gut gefallen.
    Haben heute Hongjiang besucht. Leider war es nicht mehr möglich die Altstadt ohne Eintritt zu betreten. Es standen an allen Gassen Aufseher. War trotzdem ein Highlight unserer Reise. Wir traffen den Bürgermeister von Hongjiang, der uns durch die Gassen und auf die Dächer führte. Natürlich mit 100 Fotos von uns, die wahrscheindlich irgendwo erscheinen werden. Auch die Einheimischen haben eine riesen Freude an Ausländern und wir durften viele Willkommensgrüsse entgegenmehmen
    Werden nach 2 Monaten China unser Visa verlängern um unsere eigentliche Reiseplanung in Angriff zu nehmen und natürlich dieses wundervolle Land noch ein wenig länger geniessen zu können.
    Liebe Grüsse aus China
    Sibyll und Philipp

    1. Hallo Philipp,
      Vielen Dank für den Hinweis. Das ist natürlich ärgerlich. Aber dafür hast du mit dem Ticket dann auch überall Zutritt.
      Auch bei meinem Besuch war es schon so, dass einige Zugänge bewacht waren. Aber in die Altstadt führen mindestens 20 Strassen. Sind da nun wirklich alle abgesperrt? Das würde ja einen gewaltigen Aufwand bedeuten, der sich angesichts der relativ wenigen Besuchern kaum rechnet.
      Gruss,
      Oli

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