Nicht Jesus, sondern Sankt Nikolaus steht bei Weihnachten in China im Vordergrund. Foto: Kevin Dooley / Flickr (weitere Hinweise am Textende)

Nicht Jesus, sondern Sankt Nikolaus steht bei Weihnachten in China im Vordergrund. Foto: Kevin Dooley / Flickr (weitere Hinweise am Textende)

Weihnachten ist bei uns im Westen das vermutlich wichtigste Fest des Jahres. Doch auch in China werden unsere Festtage gross geschrieben. In diesem Beitrag möchte ich fünf interessante Tatsachen über Weihnachten in China präsentieren.

Weihnachten ist das wichtigste christliche Fest. Obwohl in China schätzungsweise 80 Millionen Christen leben, spielt der religiöse Aspekt der Festtage kaum eine grosse Rolle. Trotzdem kann man sich auch im Reich der Mitte dem Rummel nicht vollständig entziehen. In Restaurants werden Nikoläuse und Spruchbänder mit Merry Christmas aufgehängt. Hier fünf wissenswerte Fakten über Weihnachten in China

 

1. Weihnachten als Alternative zum Valentinstag

Das erste, was in diesen Tagen bei einem Rundgang durch die chinesischen Städte auffällt: Überall und insbesondere in den Einkaufstempeln hängt Weihnachtsdekoration. Man gewinnt leicht den Eindruck, dass die ganze Bevölkerung dem Weihnachts- und Einkaufswahn verfallen ist. Doch dieser Eindruck stimmt nur zum Teil. Während bei uns in Europa ein grosser Teil der Feiernden weiss, dass am Heiligabend der Geburt Jesu gedacht wird, empfindet ein Grossteil der Chinesen das Weihnachtsfest einfach als etwas Modisches, Trendiges. Von Andacht keine Spur.

„Für mich hat Weihnachten etwas Romantisches“, findet beispielsweise die 25-jährige Sasa aus Westchina. „Normalerweise verbringe ich den Abend mit meinem Freund bei einem Candlelight-Dinner.“ Doch weil die Beziehung kürzlich in Brüche ging, ist in diesem Jahr Party angesagt: Im Pekinger „Mao Livehouse“ findet heute abend eine öffentliche Kissenschlacht statt, welche die junge Frau besuchen will. Andere Bekannte, die ich für diesen Artikel befragte, gehen mit dem Partner Eislaufen oder besuchen einen der Amusement-Parks wie das Happy World am Stadtrand. In einem Zeitungsartikel las ich kürzlich, dass es zu Weihnachten besonders viele Heiratsanträge gebe.

Dass von der christlichen Weihnachtsbotschaft wenig in China angekommen ist, hat vielleicht seinen Grund auch darin, dass es im Reich der Mitte bereits ein wichtiges traditionelles und bedeutungsschweres Familienfest gibt: Chinesisch Neujahr.

Weihnachtsdekoration in einem Einkaufszentrum. Foto: Sofia Zhu.

Weihnachtsdekoration in einem Einkaufszentrum. Foto: Sofia Zhu.

2. Christen feiern mit immer weniger Angst

Was vielen nicht bewusst ist: In China gibt es laut Schätzungen der christlichen Vereinigung Open Doors etwa 80 Millionen Christen, das sind rund fünf Prozent der Bevölkerung. Viele von ihnen leben auf dem Land und organisieren sich in inoffiziellen Hauskirchen. Während das Christentum in China noch vor wenigen Jahrzehnten den kommunistischen Herrschern ein Dorn im Auge war, geniessen die Gläubigen heute eine immer bessere Situation im Land. Während weltweit die Verfolgung von Christen zunehme, habe sich die Situation in China insgesamt verbessert, bestätigt Kurt Igler von „Open Doors“ in Die Presse. Die Zahl der Verhaftungen von Christen habe in China abgenommen.

So falsch die Verfolgung von religiösen Minderheiten auch ist, dürfte die Angst der Machthaber dennoch von realen historischen Erfahrungen herrühren: Der 1814 geborene Hong Xiuquan hatte die Vision, dass er der zweite Sohn Gottes sei und dass er deswegen in China ein christliches Reich des himmlischen Friendens schaffen müsse. Mit Hilfe von benachteiligten Minderheiten gelang es ihm, grosse Teile Südchinas unter Kontrolle zu bekommen und zwischen 1850 und 1864 dem Norden einen brutalen Kampf zu bieten. In der Folge des Taiping-Aufstands starben mindestens 20 Millionen Menschen (zum Vergleich: der Erste Weltkrieg forderte etwa gleich viele Todesopfer), was ihn zu einem der blutigsten Bürgerkriege der Weltgeschichte machte.

Kritik an Weihnachten äussert auch noch eine weitere Front. Insbesondere chinesische Nationalisten schimpfen gerne auf Internetforen, dass die westlichen Länder „Weihnachten auf ihrem Vormarsch nach China als Werkzeug benutzen“ und warnen ihre Mitbürger vor der Verunreinigung der chinesischen Kultur durch die westliche Zivilisation.

Kirchen sind auf dem chinesischen Land keine Seltenheit. Hier ein Gotteshaus in Pingyao, Shanxi. Foto: Oliver Zwahlen

Kirchen sind auf dem chinesischen Land keine Seltenheit. Hier ein Gotteshaus in Pingyao, Shanxi. Foto: Oliver Zwahlen

3. Der Apfel als Weihnachtsgruss

Apfel heisst auf Chinesisch „Pingguo“ und der Heiligabend wird als „Pinganye“ bezeichnet. Wer nun die Liebe der Chinesen für die Homophone ihrer Sprache kennt, ahnt bereits worauf das hinausführt: den „Ping’anguo“ oder den Weihnachtsapfel, eine rein chinesische Erfindung. Wer ihn verschenkt, kann damit gleichzeitig seine Weihnachtsgrüsse übermitteln.

Damit das Ganze jedoch nicht zu plump wirkt, werden die Weihnachtsäpfel häufig in Zellophan-Folie gewickelt oder in herzförmige Schachteln gepackt. Daraus können regelrechte Kunstwerke entstehen. Dass der Weihnachtsapfel keine Randerscheinung ist, zeigt eine Suchabfrage bei Taobao, dem chinesischen Äquivalent zu eBay: Nicht weniger als 23.000 unterschiedliche Arten von Pinganguo werden auf der grössten chinesischen Online-Verkaufsplattform angeboten.

4. Die Weihnachtsdekoration bleibt lange hängen

Bei uns im Westen endet die Weihnachtszeit je nach Konfession mit dem Fest der Taufe des Herrn (dem Sonntag nach dem 6. Januar) oder am Feier zur Erscheinung des Herrn (am 6. Januar). Dies ist in der Regel auch der Zeitpunkt, an dem die meisten Familien ihren Weihnachtsbaum aus der Stube entfernen und die bunt geschmückten Tannenbäume von den öffentlichen Plätzen verschwinden. Nicht so in China: Die Weihnachtsdekoration bleibt üblicherweise bis zum Chinesischen Neujahr hängen, teilweise sogar länger. Recht häufig bin ich noch im Mai oder Juni in Restaurants auf Spruchbänder gestossen, die den Gästen frohe Weihnachten wünschen.

Weihnachtsdekorationen wie dieser Christbaum aus Luftballons können bis zum Chinesischen Neujahr die Läden schmücken. Foto: Sofia Zhu.

Weihnachtsdekorationen wie dieser Christbaum aus Luftballons können bis zum Chinesischen Neujahr die Läden schmücken. Foto: Sofia Zhu.

5. Ohne China könnte der Westen Weihnachten nicht feiern

Diese provokative Aussage machte die chinesische Tageszeitung Peoples Daily vor ziemlich genau einem Jahr. In ihrer Totalität ist die Aussage natürlich unsinnig, doch auf einer ökonomischen Ebene lohnt es sich durchaus, ein paar Gedenken zu verwenden. 75 Prozent aller Spielzeuge (und es ist kein Geheimnis, dass sich unter dem Christbaum überdurchschnittlich viele Spielwaren befinden) stammen aus China oder wurden zumindest dort produziert. Lieber Leser, schau doch heute Abend am besten selber einmal auf das Label deiner Geschenke und schreibt in den Kommentaren wie hoch bei dir die „Chinaquote“ war.

Die hohe Abhängigkeit von chinesischen Produkten schürt bei uns natürlich auch Ängste. Vor einigen Jahren machte eine amerikanische Familie den Versuch ein Jahr lang ohne „Made in China“ zu leben und hat darüber ein spannendes Buch geschrieben, das ich vor einem halben Jahr einmal lesen konnte. Der Erlebnisbericht ist zwar inzwischen mehrere Jahre alt, aber nicht weniger aktuell geworden.

// Hinweis zum Hauptbild

Das tragende Bild mit dem Weihnachtsmann vom Flickr-User “Kevin Dooley” wurde unter dieser Lizenz zur Nutzung freigegeben. Vielen Dank in die USA!

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5 Kommentare

  1. Lieber Oliver, ein sehr spannender Beitrag, danke, habe ihn gleich auf unserer Facebook Seite geteilt. Schöne Festtage und ein super 2014 mit vielen Äpfeln … Nadine

  2. […] Dich schon immer gefragt wie Weihnachten in China ist? Oliver vom Sinograph gibt in seinem Artikel “Fünf wissenswerte Fakten über Weihnachten in China” Aufschluss darüber! Dies und viele weitere wissenswerte Tipps über einen Urlaub in China findest […]

  3. Ich muss nur noch schauen wo die Legos hergestellt werden. Ansonsten habe ich bei den von mir eingekauften Geschenken eine Quote von null. Da ich vorallem Kleider verschenke dieses Jahr und da China anscheinend schon zu teuer ist.

    1. Du wirst es kaum glauben, Simon. Aber Legos werden überraschender Weise nicht in China hergestellt. Beziehungsweise noch nicht. 2017 soll dort das erste Werk aufgehen. Quelle hier.

  4. […] viele Heiratsanträge. Wem das alles ein bisschen zu kitschig ist, wird sich sicher über einen chinesischen Weihnachtsapfel freuen. Apfel heißt auf chinesisch „Pingguo“, der Heiligabend „Pinganye“ – da liegt […]

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